Es roch nach Kaffee. Warm und würzig – und auch kalt und abgestanden. Mein Magen tat, was jeder gute Verdauungsapparat in so einer Lage machen würde. Er knurrte.
Gleißende Helligkeit strahlte mir von allen Seiten entgegen, sobald ich auch nur versuchte, die Augen einen Spalt breit aufzuschlagen. Fast blind und von einem viel zu langen Schlaf noch völlig benommen taumelte ich aus dem Bett in Richtung Tür. Ein paar Augenblicke später fand ich mich zusammen mit zwei runden Tabletts, jeweils bestückt mit einigen Scheiben Brot, Käse und Wurst sowie einer anständigen Tasse Kaffee auf meinem Bett sitzend wieder. Wie es mir gelungen war, dies alles unbeschadet von meiner Türschwelle bis in die unmittelbare Nähe meines Kopfkissens zu balancieren, blieb mir ein einziges Rätsel.
Zurzeit fehlte mir allerdings jede Begeisterung, um mich genauer mit diesem Thema zu beschäftigen. Immerhin hatte ich so meine Mühe, mich gleichzeitig an zwei sehr ausgewogenen Mahlzeiten gütlich zu tun – auch wenn die eine schon etwas abgestanden schmeckte. Wenn man einen Tag und zwei Nächte durchschlafen durfte, war das jedoch ein vertretbares Opfer. Der vierundzwanzig Stunden alte Kaffee war gar nicht mal so übel, wenn man ihn nach jedem zweiten Schluck einmal kräftig umrührte.
Die Farbe der Inneneinrichtung machte mir mit ihrem mehr als einhundertprozentigen Gelbanteil nichtsdestotrotz immer noch zu schaffen. Das ganze Zimmer erweckte den zwingenden Anschein, als versuche jemand seine Mitmenschen entweder vor giftigen Substanzen und hochgefährlicher Strahlung zu warnen oder sie eben genau diesen Elementen auszusetzen. Fraglich war nur, welche der beiden Absichten in diesem konkreten Fall zum Tragen gekommen war ...
„So früh schon auf?“, schnurrte es mir von der Rezeption entgegen.
Dieses Mal stockte ich nicht ganz so lange, als mich der Anblick der massigen Empfangsdame samt ihrer lieblich betörenden Art überfiel. Stattdessen konzentrierte ich mich auf den korrekten Ablauf meiner Handlungen, wünschte der Dame einen guten Morgen, beantwortete diverse Fragen, die bejaht werden mussten, mit einem Kopfnicken und verneinte diejenigen, die nicht bejaht werden durften, mit einem Kopfschütteln. So gelang es mir innerhalb kürzester Zeit, meine Miete um einen weiteren Tag zu verlängern und der Dame mitzuteilen, dass ich gut geschlafen und mir das Frühstück sehr gut geschmeckt hatte – wofür ich mich selbstverständlich bedankte. Weiterhin reklamierte ich die unangenehme Farbgebung des Zimmers und sah letztendlich voller Reue ein, dass dies zur aktuellsten Mode gehörte und aus diesem Grund seine unumstößliche Richtigkeit besaß ...
Unmittelbar vor der Haustür – also draußen – fand ich meine gewohnte Stimme wieder.
„Was ist das ...?“, hörte ich mich leise sagen.
Da war es wieder – dieses merkwürdige Summen, das beinahe jeder Einwohner dieser Stadt fortlaufend, wenn auch manchmal nur gerade so hörbar, von sich gab. Je nachdem welche Richtung ich auf meinem Rundgang einschlug, ließ die Lautstärke dieses Singsangs entweder allmählich nach oder nahm klar und deutlich zu. Und dann passierte etwas, das nicht oft geschah: Ich wurde neugierig.
Ich folgte der Melodie.
Eine sehenswürdige Route aus engen Gassen, geschäftigen Straßenzügen und einem zweifelhaften Boulevard mit verdächtig hoher Frauenquote später erreichte ich einen ungewöhnlich großen Marktplatz – und eine mindestens ebenso große Masse von Menschen.
Mehrstimmig und in den unterschiedlichsten Tonlagen hallte der Gesang gleichmäßig über die offene Fläche. Gut, so sehr viel herumgekommen war ich ja noch nicht. Aber das hier passte irgendwie gar nicht zu dem, was ein Marktplatz seinen Besuchern sonst so zu bieten hatte. In der Tat beschlich mich langsam das Gefühl, dass etwas sehr Wichtiges auf diesem Marktplatz fehlte.
Noch keine Kommentare vorhanden
Was denkst du?